Ein Beitrag und Fotografien von Andreas Z.
Es ist Sonntagnachmittag und der Hafen gibt Ruhe, ich radele über ein Kopfsteinpflaster, auf dem werktags Container durchgeschüttelt werden. Kein Zaun hindert mich daran, dieses sandige Viereck zwischen Straße und Kanal, einer Halle und einem aufgegebenen Bürogebäude zu betreten. Sachte setze ich die ersten Schritte in das Rispengras und lausche. Vögel singen jetzt nicht mehr, es ist Ende August, meine gespitzten Ohren achten auf Brummen und Summen, vielleicht höre ich ja irgendwelche Heuschrecken singen.
Schmetterlinge gucken gehen ist immer auch eine Begegnung mit Dir selber,
wenn Du innere Unruhe mitbringst oder die Grübelei einfach nicht aufhören will,
bist Du für die schönen Momente nicht offen, denn diese tauchen wie aus dem Nichts vor Dir auf
und lassen Dich für einige Momente teilnehmen an der unendlichen Schönheit dieser kleinen Lebewesen.
Es ist hier und jetzt, oder es ist nicht.
Vor einer Gruppe Schafsgarbe bleibe ich stehen, eine dicke Wespe sitzt auf einer der weißen Dolden, nein, es ist eine Hornisse, so groß, wie sie ist. Völlig vertieft und weltvergessen saugt sie Nektar, krabbelt auf der Dolde herum, saugt wieder und macht sich richtig breit. Ich kann einige Fotos schießen und sehe gleich, daß es keine Hornisse ist, aber was ist es dann? Das werde ich zu Hause herausfinden. Jetzt kniee ich nieder und bewege mich so ruhig wie möglich. Mit meiner kleinen Digitalkamera gelingen mir scharfe Nahaufnahmen, auf dem Display dann sieht das Insekt scheußlich aus – was erwartet mich erst am Bildschirm? Völlig unbeeindruckt tanzt die vermeintliche Wespe über die Blüten, fliegt irgendwann gemächlich weiter und ich schaue mich um.
Ein kleiner Falter fliegt an mir vorbei, meine Augen folgen ihm konzentriert. Aus irgendeinem Grund muß ich unbedingt wissen, welcher Falter das ist, jetzt, wo ich hier bin, in diesem Moment, in dem ich ein wenig teilnehmen kann an seinem Leben. Er sitzt einige Meter entfernt an einem braunen Grashalm und ich wage nicht, mich zu bewegen. Langsam richte ich meine Kamera aus und bekomme ihn fotografiert, nun traue ich mich näher heran und schließlich schiebe ich meine Hand sanft in seine Richtung. Plötzlich zuckt er und fliegt auf, starr vor Schreck bleibe ich stehen und folge seinen Bewegungen – er jedoch setzt sich an genau derselben Stelle zurück an den Grashalm. Nun gelingen mir bessere Fotos, bis er wieder auffliegt und verschwindet. Auf dem Display sehe ich ihn jetzt wieder, und ich freue mich, daß ich eine brauchbare Aufnahme habe. Den kriege ich raus, denke ich aufgeregt, den kann ich bestimmten!, und fühle mich reich beschenkt.
Gemächlich spaziere ich weiter und bemerke immer wieder, daß Heuschrecken im letzten Moment davonhüpfen. Eine will ich fangen und mir genauer ansehen, also achte ich genau darauf, wo sie landet. Schnell schnappe ich zu, doch das ging ins Leere. Verrückt, denke ich, ein so winziges Tier, daß wohl nur Hell und Dunkel unterscheiden kann und solche Reaktion! Eine weitere Heuschrecke sitzt an einem Grashalm links von mir, sie hat die Jagdszene gar nicht bemerkt.
Nun versuche ich, an überhaupt gar nichts mehr zu denken und konzentriere mich. Das dauert einige Zeit, mir erscheint es ewig lang. Ich schnappe zu – und sie ist in meiner Hand! Mir wird aber auch sofort klar, daß ich mir die Heuschrecke wohl nicht in der geschlossenen Hand ansehen kann und setze sie sachte auf den Boden ab. Zuerst regt sie sich nicht, doch dann hüpft sie fort – und landet auf meinem Fahrrad! Kaum daß ich zu atmen wage, genieße ich diesen Moment der Nähe und schau mir diesen fantastischen Körper in allen Einzelheiten an.
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Gitta Hinrichs (Dienstag, 02 Oktober 2018 21:24)
Klingt sehr entspannt. Man kann sich richtig vorstellen wie du runter kommst und du eins wirst mit dem was du beobachtest.