Ein Beitrag von Simon Hinrichs
Nach der Mauser verlassen die meisten Graugänse die Stadt im Juni wieder; viele von ihnen waren reine „Mauser-Touristen“ aus anderen Populationen, welche ausschließlich zum Gefiederwechsel in die Stadt gekommen waren und erst im Mai wieder an ihren traditionellen Mauserplätzen erscheinen. Der Großteil der Hamburger Gänse erscheint erst im Frühjahr wieder an ihren Brutplätzen. Doch in manchen Parkanlangen kann man auch im Herbst mal mehr mal weniger Graugänse beobachten; eine proteinreiche Leibspeise lockt sie an. Die Jungvögel sehen jetzt ganz anders aus, als wir sie beim Abzug in Erinnerung hatten, aber dennoch kann man sie auch jetzt noch von ihren Eltern unterscheiden. Ab Ende September bzw. Anfang Oktober ziehen tausende arktische Gänse über Hamburg und manche von ihnen verschlägt es sogar an die Alster.
Gans lecker – Eicheln
In diesem Jahr konnte man in manchen Parks wieder mehr Graugänse im Herbst beobachten als in anderen Jahren. Woran liegt das?
Nach mehreren Jahren Pause gibt es in diesem Jahr wieder eine richtige Eichelmast. In Parks und an Knicks suchen Graugänse nun gezielt Eichen auf, um deren nahrhafte Früchte zu „verspeisen“.
Dabei schälen sie geschickt die Eicheln unser heimischen Stieleiche (Quercus robur) und der Traubeneiche (Quercus petraea). Dagegen werden interessanterweise die Früchte der amerikanischen Sumpf-Eiche (Quercus palustris) von Gänsen und vielen anderen Tieren gemieden.
Graugänse im herbstlichen „Schlaraffenland“, selbst unreife Eicheln werden probiert
Eicheln enthalten vor allem viele Kohlenhydrate, aber auch Proteine und Fett und sind daher eine wichtige Nahrung vor dem Winter. Die Jungvögel kennen ja noch keine Eicheln und lernen diese nun erst kennen, wie man diese schält lernen sie durch Beobachten.
Graugänse scheinen es irgendwie mitzubekommen ob es im Herbst viele Eicheln gibt oder nicht, denn in Jahren ohne Eicheln suchen sie die Parks bzw. Bereiche mit Eichen seltener auf.
Gans jung – Wie erkennt man jetzt noch die Jungvögel?
Die meisten jungen Graugänse sind mittlerweile knapp acht Monate alt. Bereits nach zwei Monaten wurden sie flügge und waren fast ausgewachsen. Dennoch bleiben die Jungvögel fast das gesamte erste Lebensjahr bei ihren Eltern und lernen in dieser Zeit Zugrouten, Rastplätze, Nahrung, Gefahren etc. im Sommer, Herbst und Winter kennen.
Erst im Frühjahr werden sie praktisch „rausgeschmissen“ bzw. von den Eltern vertrieben; manche scheinen freiwillig zu gehen, bei anderen muss „nachgeholfen“ werden.
Mittlerweile sehen sie längst aus wie ihre Eltern, aber wer genau hinhört erkennt die Jungvögel, welche immer noch „Piepsen“, obwohl sie längst im „Stimmbruch“ waren. Dieses „Gepiepse“ hört man häufig wenn die Familie beispielsweise andere Gänse vertreiben will, wenn es also um die Rangordnung geht; das verstärkt dann den Zusammenhalt und soll Artgenossen einschüchtern.
Ein weiteres auffälliges Merkmal von diesjährigen Graugänsen ist die helle Brust ohne dunkle Punkte. Diese bilden sich meistens erst ab dem Frühjahr. Weibliche Graugänse haben oft weniger dunkle Punkte als ihre männlichen Artgenossen, aber es gibt auch Altvögel beider Geschlechter welche fast gar keine Punkte haben.
Fast immer wenn man eine Gruppe Graugänse entdeckt, welche dicht zusammen schwimmen oder laufen, handelt es sich um eine Familie. Zu anderen Artgenossen wird meist ein größerer Abstand gehalten.
Zudem haben junge Graugänse bis zum Winter/Frühjahr meist noch eine dunkle Schnabelspitze, welche sie von den Altvögeln unterscheidet.
Gans friedlich – Arktischer Besuch an der Alster
Wer in den letzten Wochen entlang der Alster spaziert ist, hat sicherlich mehr unbewusst als bewusst arktische Gänse beobachtet. Zwischen Außenalster und Alsterdorf kann man momentan gleich drei junge Blässgänse (Anser albifrons) beobachten.
Blässgänse sind kleiner als Graugänse und Jungvögel fallen vor allem durch ihre orangenen Beine, den blassrosa Schnabel und das bräunliche Gefieder auf. Auch bei dieser Art haben die Jungvögel dunkle Schnabelspitzen.
Auf dem Zug zwischen Russland und Mitteleuropa kommt es immer wieder vor, dass Jungvögel durch Jagd, natürliche Feinde, Sturm, mangelnde Fitness etc. ihre Eltern verlieren. Dann suchen sie Anschluss an andere Gänse und wenn keine Artgenossen zu finden sind, schließen sie sich auch Graugänsen an; Hauptsache Gans.
Da die meisten jungen arktischen Gänse noch nie zuvor Menschen gesehen und somit auch noch keine schlechten Erfahrungen mit ihnen gemacht haben, passen sie sich der geringen Fluchtdistanz der Graugänse in den Parks an; so erhält man das einzigartige Erlebnis seltenere Arktische Gänse aus nächster Nähe bewundern zu können.
Junge Blässgänse ohne Familien suchen relativ häufig die Nähe zu Graugänsen und schaffen es teilweise in deren Familienverbänden integriert zu werden. Das passiert vor allem wenn ein Grauganspaar bereits vier, fünf oder mehr Jungvögel führt, dann scheint ein kleiner mehr auch nicht zu stören. Zum Frühjahr, wenn sich die Familienverbände auflösen und die arktischen Gänse in ihre Heimat ziehen, verschwinden die Blässgänse dann meistens wieder und scheinen von ihren Artgenossen „mitgerissen“ zu werden.
Regelmäßig kann man auch junge Weißwangengänse bzw. Nonnengänse (Branta leucopsis) in Hamburger Parks beobachten, gelegentlich auch junge Tundrasaatgänse (Anser serrirostris).
Erst zum Frühjahr entwickelt sich die typische Blässe der Blässgans um den Schnabel herum.
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Nicole Meisner (Montag, 05 Dezember 2022 22:15)
Super, Dankeschön �
Britta Müller (Dienstag, 06 Dezember 2022 19:15)
Mal wieder spannende Informationen, vielen Dank für diese Doku!!
Carsten M. (Montag, 16 Januar 2023 17:18)
Super Beitrag.
Würde mich über die Meldungen von Graugänsen in der JVA Fuhlsbüttel freuen.