Ein Beitrag von: Urte Hermann
Wenn die Tage kürzer werden und die Temperaturen sinken, dann ist es Zeit, dass die Weinbergschnecken sich auf ihre Überwinterung vorbereiten. Man nennt diese Ruhephase auch Kältestarre.
Die Schnecken werden nun von Tag zu Tag inaktiver, fressen immer weniger und ruhen meist. Dies ist wichtig, damit sie vor Beginn der Minustemperaturen ihren Stoffwechsel heruntergefahren haben und alle überschüssige Flüssigkeit aus ihrem Körper losgeworden sind. Denn nur so kann in den Tieren eine Art Frostschutz entstehen, der sie vor dem Erfrieren schützt. Grob zusammengefasst, je weniger Wasser zwischen den Zellen ist, um so weniger leicht können sich Eiskristalle im Körper bilden, die das Gewebe schädigen würden. Die Schnecken können dann auch tiefe Minustemperaturen überstehen, in Studien bis zu -40° C - kaum vorstellbar!
Wenn die Weinbergschnecken vorbereitet sind, graben sie sich mit Hilfe ihres Fußes in die Erde ein und verdeckeln ihr Gehäuse an der Schalenmündung (am Eingang) von innen mit einem luftdurchlässigen Kalkdeckel, dem Epiphragma. Dieser Deckel entsteht durch ein kalkhaltiges Sekret, das die Schnecke aus den Drüsen ihres Mantels absondert (der Mantel ist die helle Schicht, die man auch am Eingang der Schnecken sieht). Der Kalkdeckel ist aber 'nur' ein Schutz vor Austrocknung und kein Schutz vor dem Erfrieren.
Einige Weinbergschnecken verdeckeln sich auch oberirdisch und bleiben im Laub unter Büschen, Hecken oder im lichten Wald einfach liegen. Wenn ihr eine verdeckelte Schnecke findet und die Stelle ist unsicher (Laubpuster o. Ä.), dann legt sie gern unter ein geschütztes Gebüsch gleich in der Nähe, damit ihr nichts passiert.
Während der Kältestarre drosseln die Tiere alle Körperfunktionen und können so monatelang ohne Nahrung bei tiefen Temperaturen überleben, bis im Frühjahr die durchschnittliche Temperatur wieder auf ca. 8° C steigt. Der Herzschlag sinkt von 36 Schlägen auf nur 3-4 Schläge pro Minute und sie brauchen nur noch 2 Prozent der Sauerstoffmenge im Vergleich zur aktiven Phase.
Nach der Überwinterung haben die Schnecken ca. 10-15 Prozent ihres Gewichts verloren. Wenn genügend Nahrung vorhanden ist, nehmen sie schnell wieder zu. Gibt es nach dem Erwachen im Frühjahr erneut (Nacht-) Frost, können die Tiere leider keinen neuen Kalkdeckel mehr bilden, weil ihre Kalkreserven aufgebraucht sind. In solchen Fällen sterben viele Weinbergschnecken.
Interessant zu wissen: Die Weinbergschnecke ist in der christlichen Mythologie in Anlehnung an die Ostergeschichte ein Symbol der Auferstehung. Sie erwacht nach einem todesähnlichen Schlaf zu neuem Leben. Gar nicht so selten taucht die Schnecke in Kirchen, zum Beispiel auf Gemälden und in anderen Kunstwerken, auf. In der Nürnberger Stadtkirche St. Sebald zum Beispiel ruht das imposante Sebaldusgrab auf 12 Weinbergschnecken.
Weitere Informationen zu Schnecken in Kirchen und Kunstwerken findet man im Magazin der "Deutsche Stiftung Denkmalschutz":
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