Projektleitung: Simon Hinrichs, Ingo Kirchhoff
Themenseiten des Projekts:
Projekt "Gans Hamburg"
Während die Graugans (Anser anser) im 16. Jahrhundert noch häufiger Brutvogel in Norddeutschland war, galt diese Art im 19. Jahrhundert in weiten Teilen Mitteleuropas als Brutvogel ausgestorben. Menschen zerstörten fast vollständig ihre natürlichen Lebensräume (v. a. Moore, Feuchtgebiete und Flussauen) und rotteten diese Art in Verbindung mit direkten Verfolgungen (u. a. Jagd, Eier absammeln) fast aus. Hungersnöte durch Kriege verstärkten dies. Erst ab den 1980er Jahren erholten sich die europäischen Bestände langsam und wurden durch Wiederansiedlungsmaßnahmen unterstützt. Da ihre ursprünglichen Lebensräume kaum noch existieren, leben sie heutzutage alternativ häufig in Grünanlagen und auf landwirtschaftlich genutzten Flächen.
Graugänse sehen nicht alle gleich, aber schon recht ähnlich aus. Mit einer individuellen Markierung können Vögel unterschieden und wiedererkannt werden.
Dadurch gewinnt man detaillierte Informationen über die Populationsstrukturen wie z. B. Bruterfolg, Verpaarung, Sterberate, Verwandtschaftsverhältnisse und Wanderungen.
Vereinsgründung zur Förderung der Erforschung und der Aufklärung
Viele Menschen wissen erstaunlich wenig über diese Vogelart, obwohl ihnen ihr Anblick doch vertraut ist. Es gibt noch zuviel Halb- und Nichtwissen in der Bevölkerung. Durch das Aussterben ist diese Art in Vergessenheit geraten. Dadurch entsteht oft der Eindruck dass Graugänse neu sind, aber es sind Rückkehrer.
Die Leute haben stets viele Fragen zu den unterschiedlichsten Themen in Sachen Graugans. Daher sind in diesem Vereinsprojekt neben der Erforschung und der Erfassung dieser Art die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit unsere wichtigsten Aufgaben. Dazu haben wir ein Faltblatt entworfen, welches über das Projekt und die Graugänse informiert. Zudem haben wir Infotafeln über diese Art erstellt, welche an verschiedenen Gewässern stehen.
Dieses Projekt wird rein ehrenamtlich organisiert und finanziert sich überwiegend aus Spenden.
Simon Hinrichs, Leiter dieses Projekts, ist ehrenamtlicher Beringer des Instituts für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“.
Wir bieten regelmäßig Führungen und Vorträge an, auch für private Gruppen.
Interesse an einem Foto, einem Vortrag oder einer Führung für eine private Gruppe? Schreiben Sie uns eine Nachricht.
Begonnen wurde mit der regelmäßigen Markierung von Graugänsen in Hamburg 1988 am Öjendorfer See. Seit 1992 werden auch im restlichen Stadtgebiet Gänse beringt. Wir verwenden Ringe der Vogelwarte Helgoland. Ziel ist es herauszufinden, was aus den nachfolgenden Generationen der ehemals wieder angesiedelten Gänsen geworden ist und wie einzelne Bereiche im Stadtgebiet und außerhalb genutzt werden.
Wohin ziehen die Gänse nach der Brutzeit?
Wo verbringen sie Sommer, Herbst und Winter?
Welche Gänse fliegen weg, welche bleiben hier?
Gibt es dabei Unterschiede zwischen den einzelnen Stadtteilen?
Wo siedeln sich die Jungvögel an?
Durch die beringten Brutvögel lassen sich zudem detaillierte Aussagen über das Brutgeschehen machen und beispielsweise feststellen, wie viele Küken geschlüpft und später flügge geworden sind.
Wie ist der Bruterfolg nach Alter und Stadtteil?
Wo ist der Bruterfolg besonders hoch und wo besonders niedrig und was sind die Ursachen?
Mit welchem Alter haben Graugänse den höchsten Bruterfolg?
Brüten alle Gänse oder immer nur die gleichen?
Beringt werden überwiegend Jungvögel im Familienverband, was vielfältige populationsbiologische Auswertungen ermöglicht. Man kennt in der Regel das Schlupfdatum der Gans (durch die Beringung der Eltern), den Schlupfort, die Eltern, die Geschwister, etc. Wir betreiben somit Grundlagenforschung und können die Lebensläufe einzelner Gänse von Anfang an verfolgen.
Neben der Markierung der Gänse wird jährlich der Brutbestand im Stadtgebiet erfasst. Per Boot zählen wir die Nester entlang der Alsterkanäle und später per Rad die Familien in den Grünanlagen. Es werden ganzjährig die Gänse in den Parkanlagen gezählt und die beringten Gänse abgelesen. Auch im Hamburger Umland erfassen wir regelmäßig die Graugänse, beispielsweise an den verschiedenen Rastplätzen entlang der Elbe.
Ohne den Einsatz ehrenamtlicher Ringableser, Zähler, Helfer beim Beringen und Spenden wäre es kaum möglich ein so detailliertes Bild über die Hamburger Graugänse zu erhalten.
Daher ist, neben der praktischen Arbeit im Feld (dem Ablesen und Beringen), die Wiederfundbearbeitung und die Auswertung der Daten eine unserer wesentlichen Aufgaben.
Diese Datenerhebungen geschehen für das Institut für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" (Beringungsdaten) und für den Arbeitskreis an der Staatlichen Vogelschutzwarte Hamburg (Gänsezahlen). Diese Daten werden somit für wissenschaftliche und naturschutzfachliche Auswertungen genutzt.
Durch unsere Erfassungen der Bestände und dem regelmäßigen Ablesen der markierten Gänse gewinnen wir wertvolle Informationen über die verschiedenen Grauganspopulationen Hamburgs. Zudem kann es in einer Großstadt wie Hamburg immer wieder zu Konflikten zwischen Mensch und Gans kommen, vor allem bei der Raumnutzung in Parkanlagen und Gärten. Wir beraten und klären über die jeweiligen Vorkommen auf, um Konflikte zu entschärfen und für ein gutes Miteinander zwischen Mensch und Gans zu sorgen.
Graugänse ernähren sich überwiegend an Land und benötigen als Pflanzenfresser dazu Wiesen. Wenn sie Nachwuchs führen brauchen sie Wiesen direkt an Gewässern, da die Gössel (Küken) ja noch nicht fliegen können. Im Stadtgebiet haben Gänse nur die Möglichkeit auf Rasenflächen in Parkanlagen oder Gärten Nahrung zu finden; das kann zu Nutzungskonflikten führen. Um diese zu verringern bieten wir unsere Expertise an.
Viele zukünftige Konflikte sind bereits bei den Planungen vorhersehbar. Manche Maßnahmen,wie beispielsweise der Bau von Zäunen, können Gänse sogar gefährden, wenn sie sich in diesen verfangen, sich an scharfen Kanten verletzten oder wenn Küken aus einem umzäunten Gelände nicht wieder herausfinden. Daher sollten immer Fachleute miteinbezogen werden.
Unsere Tätigkeiten im Projekt „Gans Hamburg“ lassen sich so zusammenfassen:
In unserem Blog erscheinen regelmäßig Berichte über unsere Aktivitäten, auch aus unseren anderen Projekten.
Verwendete Codes
Jede Gans erhält bei der Beringung den Metallring der Vogelwarte Helgoland . Auf diesem steht „Vogelwarte Helgoland Germania“ und eine (sechsstellige) Nummer, sodass dieser Ring weltweit zugeordnet werden kann. Einige Gänse erhalten zusätzlich einen blauen Farbring mit einem weißen dreistelligen Code. In der Regel werden die Farbringe von oben nach unten gelesen. Die Ziffern auf dem Farbring sind wesentlich größer. Dadurch können die Gänse auch auf größere Distanz abgelesen werden. Das ist wichtig, da sie außerhalb der Stadt durch Bejagung und Vergrämung wesentlich scheuer sind als in den Parkanlagen.
Wichtiger Hinweis für Ableser:
Unsere Daten sind nicht auf geese.org hinterlegt! Ablesungen bitte per E-Mail melden.
Übersicht unserer Codes Stand 2020:
000 - 599
600 - 999
00A - 99A
00B - 99B
00C - 99C
00M - 99M
00R - 99R
00V - 99V
0C0 - 0C9
0E0 - 0E9
0H0 - 5H9
0J0 - 0J9
0K0 - 5K9
0L0 - 0L9
0P0 - 9P9
0S0 - 0S9
0T0 - 9T9
0U0 - 9U9
1A0 - 9A9
N00 - N99
R00 - R99
RAA - RZZ
X00 - X49
Jährlich im Oktober erscheint der Fotokalender „Gans Hamburg“ in unserem Online-Shop mit Bildern aus dem Leben der Hamburger Graugänse.
Der Gewinn aus dem Kalenderverkauf fließt komplett in das Vereinsprojekt „Gans Hamburg“.
Vorbestellungen sind ganzjährig per E-Mail möglich.
Im Laufe vieler Jahre sind bereits etliche Daten zu den verschiedensten Themen zusammengekommen. Ein Teil dieses Datenschatzes konnte bereits ausgewertet werden, zum Beispiel in:
MENDEL, L.-C. (2018): Brutphänologie von Graugänsen (Anser anser L.) im urbanen Lebensraum am Beispiel von Hamburg. Masterarbeit an der Universität Hamburg (UHH).
Zusammenfassung:
Im Rahmen eines Beringungsprojektes von Graugänsen (Anser anser LINNÉ, 1758) im innerstädtischen Bereich Hamburgs wurden seit 2006 Daten zur Brutzeit von beringten Graugänse erhoben. Schwerpunkte der Untersuchung waren die Außen- und Binnenalster sowie die angrenzenden Kanäle. Diese wurden in Zusammenhang mit der Entwicklung der Temperatur zu Beginn der Brutzeit ausgewertet. Ebenfalls wurden vom Arbeitskreis Vogelschutzwarte Hamburg (AV HH) Zufallsbeobachtungen zu Brutbeobachtungen und Brutverhalten der Graugänse im gesamten Stadtgebiet seit 1965 ausgewertet.
Bis heute ist ein starker Populationsanstieg im gesamten Stadtgebiet zu verzeichnen, von 144 Brutpaaren (2000) ist die Zahl auf 550 Brutpaare (2017) gestiegen und hat sich damit fast vervierfacht (Mitschke, AV HH). Im Untersuchungsgebiet konnte ein Anstieg der erfolgreichen Brutpaare mit mindestens einem Gössel von 75 (2006) auf 188 (2017) festgestellt werden. Jedoch hat der Bruterfolg abgenommen und liegt durchschnittlich bei 2,5 ± 0,6 flüggen Jungvögeln (flugfähig) pro Brutpaar (2006 bis 2017). Dabei hat der Anteil der Bruten mit Totalverlust von 10 % (2006) auf 35 % (2017) zugenommen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Brutpaarzahlen der Graugans in Hamburg gestiegen sind, jedoch gleichzeitig der Bruterfolg gesunken ist. Dies ist durch erhöhte innerartliche Konkurrenz um limitierende Faktoren wie Brutplätze und Nahrungsflächen zu begründen. Hinzu kommen äußere Einflüsse von Temperatur, Niederschlag und Prädation. Diese können kurzfristig den Brutbestand und Bruterfolg beeinflussen und reduzieren.
Die Brutphänologie der Graugans hat sich in Hamburg, sowohl über langfristige als auch kurzfristige Zeit, jahreszeitlich signifikant nach vorne verschoben. Dabei hatte die Februartemperatur einen signifikanten Einfluss auf den Brutbeginn. Je wärmer der Februar war, desto früher haben die Graugänse mit der Brut begonnen. Neben der Veränderung der Zugzeit und Zugdistanz (Ramo et al., 2015; Podhrázský et al., 2016) konnte somit auch Anpassung der Brutzeit an die veränderten Temperaturbedingungen in Hinblick auf den Klimawandel festgestellt werden.
Neben Gänsen werden in Hamburg auch andere Wasservögel wie Möwen, Enten oder Rallen für das Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ markiert.
Im Jahr 2018 haben wir damit begonnen, den Nachwuchs von Reiher- und Stockenten zu markieren. Vieles ist über den Verbleib der Jungvögel, ihrer Lebenserwartung und der Zugrouten noch gar nicht bekannt.
Die mit Abstand häufigste Entenart in Hamburg ist die Stockente (Anas platyrhynchos). Aber auch Reiherenten (Aythya fuligula) brüten regelmäßig an einigen Gewässern und vereinzelnd auch die ursprünglich aus Ostasien stammende (bunte) Mandarinente(Aix galericulata).
Themenseiten des Projekts:
Projekt "Gans Hamburg"
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